Rassismus überwinden

Wer Leonela sieht, sieht eine fröhliche, strahlende und wunderschöne junge Frau voller Energie und Mitgefühl, die immer ein ermutigendes Wort auf den Lippen hat. Man würde auf den ersten Blick kaum vermuten, was für Ablehnung sie in ihrem Leben bereits erleben musste und wie viel Schmerz ihr das bereitet hat. Und das aus einem einzigen Grund: Ihrer Hautfarbe.

Leonela wurde in Berlin geboren und großgezogen. Ihre Eltern waren in den 80er Jahren als Gastarbeiter aus Mosambik nach Deutschland gekommen. Obwohl sie sich selbst nie als “anders” sah, musste sie schon sehr früh rassistische Erfahrungen im Alltag machen. In der Grundschule durfte sie bei Rollenspielen nie die Lehrerin spielen, ihr wurden stattdessen immer andere Rollen, wie die der Tänzerin oder Sängerin zugeordnet. Im Sportunterricht wurde erwartet, dass sie aufgrund ihrer Hautfarbe sportlich sein musste; dabei gehörte das nicht zu ihren Stärken. Ihre Haare wurden immer als besonders, aber nie als normal betrachtet, wie die der weißen Mädchen. Sie fühlte oft den Druck Erwartungen zu erfüllen, die weiße Menschen an schwarze Menschen hatten und wenn sie das nicht konnte hörte sie Kommentare wie “Ich dachte schwarze Menschen sind/ sagen/ tun das so und so.”, oder “Du bist doch mehr weiß als du aussiehst.”.

Nach dem Abitur zog Leonela zum studieren in die kleine Stadt Marburg nach Hessen. Hatte sie in Berlin noch viele schwarze Freunde gehabt, war sie hier eine absolute Ausnahme und fiel noch mehr auf, als in der Hauptstadt. Für viele KommilitonInnen war sie die erste schwarze Freundin im engeren Freundeskreis. Das führte dazu, dass sie viele Fragen zu ihrer Herkunft und Kultur beantworten musste, die sie überforderten und sie allein fühlen ließen. Die Antwort “Ich komme aus Berlin.”, war zwar korrekt, aber aufgrund ihrer Hautfarbe nie genug. Sie wusste, dass alles was sie tat – ob gut oder schlecht – auch auf andere Menschen bezogen werden würde, die so aussahen wie sie.

“Ein großer Schmerz für mich, war die Frage, ob ich überhaupt wirklich Ich sein konnte. Oder legte die Farbe meiner Haut fest, wer und wie ich sein musste? Wie andere mich sahen? Oft fühlte ich mich (und fühle mich noch immer) in eine Schublade gesteckt.”

Wenn du das liest konntest du Situationen die Leonela erlebt hat ziemlich sicher auch schon einmal beobachten oder hast sie selbst erlebt. Und wenn du weiß bist, kommt es dir womöglich bekannt, aber gar nicht rassistisch vor. Aber: Alltagsrassismus in Deutschland existiert überall. Schwarze Deutsche und Menschen of Color müssen jeden Tag den Schmerz erleben, diskriminiert, reduziert und als “anders” gesehen zu werden.

„Darf ich mal deine Haare anfassen?“, „Kannst du Sonnenbrand bekommen?“, „Wo kommst du wirklich her?“ Wer solche Fragen stellt, meint es meist nicht böse. Aber dennoch: Sie sind rassistisch. Warum, das wollen weiße Menschen oft nicht hören. Doch in ihrer Masse geben genau solche Sätze schwarzen Menschen das Gefühl nicht dazuzugehören. Alice Hasters erklärt es in ihrem Buch “Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten”* trotzdem. Sie beschreibt darin wie Rassismus ihren Alltag als schwarze Frau in Deutschland prägt. Dabei wird klar: Rassismus ist nicht nur ein Problem am rechten Rand der Gesellschaft. Und sich mit dem eigenen Rassismus zu konfrontieren, ist im ersten Moment schmerzhaft, aber der einzige Weg, ihn zu überwinden.

Wir leben in einer Gesellschaft in der Stifte in „Hautfarbe“ weiß sind, genauso wie die meisten Feinstrumpfhosen und Make-Up, es zum Großteil weiße Puppen und weiße Superhelden gibt und auch in Kinderbüchern vor allem weiße Personen abgebildet sind. So bekommen wir von Anfang an (oft unterbewusst) vermittelt: Es gibt eine Norm und die ist weiß. Schwarze Deutsche und Menschen of Color gehören dieser Norm nicht an. Und dabei bleibt es nicht, denn von klein auf werden wir gelehrt, dass Afrika arm und rückständig ist und schwarze Deutsche somit auch. Die deutsche Antirassismus-Trainerin und Autorin Tupoka Ogette schreibt in ihrem Buch “Exit Racism”*: “Rassismus ist ein gesamtgesellschaftliches Konstrukt. Ja, es ist auch die Ausnahmetat einzelner böser Individuen. Aber Rassismus sitzt auch tief in allen Bereichen unserer Gesellschaft. Wir alle werden von klein auf rassistisch sozialisiert. Und unsere Aufgabe ist es, dies Schritt für Schritt wieder zu entlernen.” Gegen Rassismus vorzugehen beginnt also im Herzen jedes Einzelnen und bedeutet auch bestimmte Dinge wieder zu entlernen, die wir als normal betrachtet haben.

Für Leonela haben ihre Erfahrungen mit Rassismus viel zum Finden ihrer eigenen Identität beigetragen: “Ich bin meistens ein konfliktscheuer Mensch und ich denke, dass viele schwarze Menschen, wie auch ich, sich dafür entschieden haben ihren Schmerz vor allem in einem sicheren Umfeld – zuhause oder in der Black Community – loszuwerden. Ich tausche mich mit meinen schwarzen Freunden und besonders meiner Schwester darüber aus und wir weinen gemeinsam. Aber vor allem weiß ich wer ich in Gott bin und das definiert mich.. Ich darf meine Hoffnung auf ihn setzen und erleben, wie er mir immer wieder Heilung schenkt und mir dabei hilft den Menschen für ihr Unwissen zu vergeben.

Leonela sieht aber auch, wie ihre weißen Freunde immer offener für das Thema werden, wie sie anfangen zu begreifen, dass sie Teil einer rassistischen Gesellschaft sind, ohne anderen mutwillig etwas böses zu wollen. “Ich bin dankbar, dass ich meine Komfortzone verlassen habe und in Freundschaften zu Weißen investiert habe. Ich denke, dass zwischenmenschliche Beziehungen Veränderung möglich machen. Wir müssen zusammenhalten, füreinander einstehen, unsere Herzen offen und weich halten und bereit sein umzudenken. Einander zuzuhören, Liebe und Vergebung sind Schlüssel in der Beseitigung von Rassismus. Und dafür braucht es uns alle.”

Leonelas Traum ist folgender: “Ich möchte, dass meine Kinder sich eines Tages nicht über ihre Hautfarbe definieren müssen, sondern einzig und allein durch die Identität, die Gott ihnen gegeben hat.”

Leonela, 21, Marburg/ Deutschland

*Wenn du mehr zu dem Thema lernen willst, kann ich dir die Bücher “Was weiße Menschen nicht hören wollen, aber wissen sollten” von Alice Hasters und “Exit Racism” von Tupoka Ogette empfehlen. Beide Bücher sind auch als Hörbücher (unter anderem auch bei Spotify) verfügbar.

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