Von Bitterkeit zu wahrer Freiheit

Mann, Kinder und ein Haus. So erträumte sich Jemima früher ihr Leben. Warum? Sie dachte einfach, so müsste das Leben ablaufen. So sähe das Ziel aus, das jeder von uns irgendwann erreichen möchte und sollte. Und als sie dann mit dem angeblichen Mann ihrer Träume verlobt war, schien es so, als wäre sie der Erfüllung dieses Traumes ziemlich nahe. Bis dieser Traum in tausend Stücke zerbrach. Von heute auf morgen verschwand der Mann, der ihr Ehemann hatte werden sollen, einfach aus ihrem Leben. Ohne Erklärung. Ohne Verabschiedung. 

Wenn sie heute daran zurückdenkt, erscheint es ihr fast wie eine Szene aus einer Telenovela, so unwirklich und plötzlich traf sie diese Trennung. Der Mensch, für den sie bereit war alles zu geben, mit dem sie zusammen wohnte und den sie heiraten wollte, war auf einmal weg. “Ich dachte ich würde an diesem Schmerz sterben und nie wieder in der Lage sein, etwas zu fühlen. Ich habe mich selbst nicht wiedererkannt. Es war, als wäre ein Teil von mir vor lauter Schreck in den Tiefen meiner Seele verschwunden und ich wusste nicht, wie ich jemals wieder heilen sollte.” Jemimas Herz war gebrochen.

Die ersten Monate danach waren extrem schwer zu navigieren. Tatsächlich kann sich Jemima nur noch schwach daran erinnern, wie sie es überhaupt schaffte weiterzumachen. Gott sei Dank hatte sie Menschen um sich, die sie aufnahmen, mit ihr trauerten und sich um sie kümmerten. Sie war am Boden zerstört, verletzt und verbittert: Ich war so voller Wut und Bitterkeit. Ich träumte nachts davon die Reifen meines Exs zu zerstechen und mich so an ihm zu rächen.”

Aber eine Gewissheit hatte sie schon nach wenigen Tagen: “Ich kann und will nicht zulassen, dass das Handeln eines anderen Menschen mein Leben zerstört und nachhaltig beeinflusst. Ich wollte wieder in der Lage sein können eine gesunde Beziehung zu führen.” Doch wie sollte das je wieder möglich sein?

Der Professor und Psychologe Stephen Diamond bezeichnet Bitterkeit als “einen chronischen und allgegenwärtigen Zustand von schwelendem Groll” und nennt sie “eine der am vernichtendsten und schädlichsten menschlichen Emotionen.” Bitterkeit beginnt immer als Schmerz. Aus Schmerz wird Wut auf etwas oder jemanden. Wenn wir dann immer wieder darüber nachdenken das und wie uns böses angetan wurde und wir diese Opfermentalität annehmen, kann das zu einem essentiellen Teil von dem werden, was und wer wir sind. Wir enden als Opfer von niemandem anderem, als uns selbst. Opfer von tiefliegender Wut und zerstörerischer Bitterkeit.

Jemima wollte nicht, dass diese Gefühle weiterhin an ihr nagen und sie zurückhalten. Sie sollten kein Teil ihrer Identität werden. In ihrer Verzweiflung wand sie sich an den Einen, von dem sie schon viel gehört hatte, aber dem sie nie persönlich begegnet war: Gott. Vor dieser Lebenskrise war es immer ein Hin und Her in ihr gewesen: “Gibt es Gott? Oder nicht? Wenn ja, warum lässt er so viel Schlimmes zu?” Doch jetzt fand sie sich im Gespräch mit eben diesem Gott wieder und schüttete ihm ihr Herz aus. Und dann hörte sie vier Worte, die ihr Leben veränderten: “Komm nach Hause, Jemima.”

“Diese Worte waren ein Ruf, dem ich folgte, zum einen aus Neugier, aber auch aus Verzweiflung. Und dieser Weg führte mich in die Freiheit. Ich habe erlebt, wie er mein Herz befreite, meine Gedanken neu ordnete und mich komplett wiederherstellte. Die tausend Scherben meines Herzens brachte er wieder an Ort und Stelle. Selbst die Freude, die so plötzlich aus meinem Leben verschwunden war, gab er mir mit doppelter Intensität zurück!”

Jemima hat durch diese Zeit in ihrem Leben vor allem drei Dinge gelernt:

  1. Zwischenmenschliche Beziehungen, Nähe und Vertrauen sind das Schönste, was es gibt. Ja, wenn man sich darauf einlässt riskiert man verletzt zu werden, aber das ist es wert. Wir Menschen brauchen Nähe einfach. 
  2. Tränen und Emotionen sind nicht falsch und sind nie zu viel. Du und ich sind nicht zu viel. Und gleichzeitig ist es auch gut und wichtig Gefühle zu reflektieren und erst nach rationalem Nachdenken Entscheidungen zu treffen.
  3. Bitterkeit kann einen auffressen. Es ist so wichtig, den Schmerz nicht in Bitterkeit wachsen zu lassen. Und wenn es doch passiert, sich bewusst dazu zu entscheiden die Bitterkeit loszulassen und sie nicht Teil der Identität werden zu lassen.

Jemima ist heute ein unglaublich lebensfroher Mensch. Sie liebt es zu tanzen, zu lachen und mit Freunden Zeit zu verbringen, nimmt sich aber auch gern Zeit für sich selbst. Sie hat für sich angenommen, dass das Leben nicht immer leicht ist und hat andere Prioritäten, als die welche die Gesellschaft vorgibt, das es die richtigen seien. Sie liebt es Dinge auszuprobieren, ohne sie perfekt zu meistern, sondern einfach, um sie zu genießen.

Anderen Frauen, die durch etwas ähnliches gehen, oder mit Bitterkeit kämpfen, möchte Jemima folgendes mitgeben:

“Es lohnt sich, mutig zu sein. Den unangenehmen Dingen ins Auge schauen ist schwer, aber die Freiheit die auf der anderen Seite wartet, wird deine Vorstellungskraft übertreffen.”

Jemima, 29, Berlin

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